Die österreichische Baustoffbranche erlebt eine weitere Erschütterung: Der traditionsreiche Baustoffhändler Quester hat beim Handelsgericht Wien ein Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung beantragt. Das Unternehmen, das seit Jahrzehnten als verlässlicher Partner für Bauprofis und private Häuslbauer galt, sieht sich aufgrund der anhaltend schwachen Baukonjunktur und sinkender Nachfrage zu diesem Schritt gezwungen. Rund 314 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind von der Insolvenz betroffen, ebenso etwa 400 Gläubiger. Laut den ersten Angaben übersteigen die Verbindlichkeiten die Aktiva um ein Vielfaches – den Gläubigern wird eine Quote von etwa 20 Prozent angeboten.
Die wirtschaftliche Schieflage kam nicht völlig überraschend. Bereits in den vergangenen Monaten zeigte sich in der gesamten Bauwirtschaft ein deutlicher Rückgang bei Neubauten und Sanierungen. Steigende Zinsen, teure Finanzierungskonditionen und die allgemein schwache Konsumstimmung führten dazu, dass Projekte verschoben oder ganz gestrichen wurden. Für ein Unternehmen, das stark vom Verkauf von Baustoffen, Werkzeugen und Zubehör abhängig ist, war diese Entwicklung fatal. Hinzu kamen hohe Lagerkosten und eine angespannte Wettbewerbssituation mit großen Baumarktketten und Onlinehändlern.
Tradition trifft auf Krisenrealität
Quester wurde bereits 1934 gegründet und war über Jahrzehnte eine feste Größe im österreichischen Baustoffhandel. Das Sortiment reichte von Ziegeln und Dachsystemen über Dämmstoffe bis hin zu kompletten Badlösungen. Seit 2005 wechselte der Eigentümer mehrfach, zuletzt wurde das Unternehmen von der deutschen Callista Private Equity übernommen, die auf Sanierungen und Restrukturierungen spezialisiert ist. Dennoch konnten die strukturellen Probleme im Markt nicht mehr abgefedert werden. Besonders der dramatische Einbruch im privaten Wohnbau seit 2023 traf die Firma hart – viele Bauherren verschoben Projekte, Förderungen blieben aus, und die Materialpreise stagnierten auf hohem Niveau.
Die Geschäftsführung erklärte, dass die Löhne für Oktober nicht mehr ausbezahlt werden konnten. Der Insolvenz-Entgeltfonds übernimmt vorerst die Gehaltszahlungen. Ziel ist es, den Betrieb fortzuführen und eine geordnete Sanierung zu ermöglichen. Dabei soll geprüft werden, welche Standorte wirtschaftlich weitergeführt werden können und wo eine Schließung unvermeidbar ist. Branchenkenner sehen die Insolvenz von Quester als Symptom einer tieferliegenden Krise im österreichischen Bauwesen, das unter schwacher Nachfrage und fehlender politischer Impulse leidet.
Ausblick für die Bauwirtschaft in Österreich
Die Insolvenz von Quester hat Signalwirkung über den Einzelfall hinaus. Viele kleinere Baustoffhändler kämpfen derzeit mit ähnlichen Herausforderungen: geringere Umsätze, steigende Fixkosten und ein Rückgang an gewerblichen Großprojekten. Experten erwarten, dass sich der Markt in den kommenden Jahren konsolidieren wird – mit weniger, dafür größeren Anbietern, die effizienter arbeiten und digitale Vertriebsstrukturen stärker nutzen. Für Bauunternehmen und private Sanierer bedeutet dies eine Phase der Umorientierung: Planungssicherheit und Lieferfähigkeit werden wichtiger als kurzfristige Rabatte.
Gleichzeitig zeigt die Entwicklung, dass staatliche und regionale Förderprogramme im Wohnbau künftig gezielter wirken müssen. Ohne Investitionen in Sanierungen, Energieeffizienz und Neubauten droht die Bauwirtschaft weiter zu schrumpfen. Unternehmen wie Quester, die jahrzehntelang ein stabiler Bestandteil der Branche waren, geraten dadurch unter Druck. Eine erfolgreiche Sanierung könnte zumindest einen Teil der Arbeitsplätze sichern und zeigen, dass auch traditionelle Handelsunternehmen durch strukturelle Anpassung überleben können.
Eckdaten zur Insolvenz:
Unternehmen: Quester Baustoffhandel GmbH
Sitz: Wien
Verfahren: Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung
Gericht: Handelsgericht Wien
Eröffnung: 03.11.2025
Verbindlichkeiten: rund 50–56 Mio. €
Aktiva: ca. 7,5 Mio. €
Mitarbeiter: etwa 314
Gläubiger: ca. 400
Sanierungsquote: 20 % angestrebt
Fortführung: geplant, abhängig von Investorenentscheidung
Gehälter: durch Insolvenz-Entgeltfonds gesichert